DAS EIGENE GESCHLECHT

Was macht eine Frau zur Frau? Und was einen Mann zum Mann?

Vier Münchner, die trans sind, erzählen von ihren Erfahrungen.

Von Saskia Reis

Frau ist Frau, Mann ist Mann. Was einfach klingt, ist im Alltag vieler Menschen kompliziert. Oft schon von Kindesbeinen an. Mit einem männlichen Geschlechtsteil geboren zu werden, bedeutet nicht automatisch, dass man ein Mann ist. Und selbst, wenn bei der Geburt alles darauf hindeutet, dass ein Mädchen das Licht der Welt erblickt hat, heißt das nicht, dass es auch zur Frau heranwächst. Bei trans Frauen und Männern stimmt das geschlechtliche Selbstverständnis nicht mit dem biologischen Geschlecht überein.

Das betrifft laut Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität in Deutschland 60.000 bis 100.000 Menschen. Mit der Trans*Inter*Beratungsstelle beherbergt München gemessen an der Stellenzahl der Beratenden Deutschlands größte Beratungsstelle für trans Menschen und ist außerdem Heimat der ältesten trans Jugendgruppe in der Bundesrepublik. Etliche weitere Vereine und ehrenamtliche Beratungsoptionen sowie Kliniken für geschlechtsangleichende OPs runden das Angebot ab.

Diskriminierung im Alltag

Doch Quentin Rothammer von der Münchner Trans*Inter*Beratungsstelle, berichtet trotz der transpositiven Infrastruktur in München von zahlreichen Diskriminierungserfahrungen seiner Klientinnen und Klienten: Von Gewalt an öffentlichen Orten oder in der Familie bis hin zum Arbeitsplatz- und Wohnungsverlust.

Noch immer herrsche in den Köpfen vieler Menschen das Vorurteil, dass trans Frauen eigentlich Männer und trans Männer eigentlich Frauen sind. „Diese Vorstellung schadet trans Personen sowohl psychisch als auch physisch“, sagt Rothammer. „Denn trans Männer sind Männer, trans Frauen sind Frauen.”

Das deutsche Transsexuellengesetz stammt aus dem Jahr 1981. Es regelt, unter welchen Umständen man seinen Namen und Geschlechtseintrag ändern kann. Seit seiner Entstehung wurde es nicht überarbeitet, obwohl es vom Bundesverfassungsgericht immer wieder für grundgesetzwidrig erklärt wurde. Bis 2011 mussten sich Betroffene beispielsweise zwangssterilisieren lassen, um den Personenstand zu ändern.

Bayern ist aktuell noch das einzige Bundesland ohne Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie.

Doch wie leben trans Frauen und Männer in München? Wie erleben sie ihren Alltag, wie war ihr Coming-Out? Wir haben zwei Frauen und zwei Männer besucht.

Patricia Schüttler, 48

Assistenz in einer Klinik für operative Geschlechtsangleichungen und ehrenamtliche Leiterin der Münchner Gruppe von Trans-Ident

Ich habe immer gedacht, dass das, was ich da fühle, auch wenn ich nicht wusste, was es ist, dass das weggeht, sich verwächst. Das hat es aber nicht getan.

Gegen Ende ihrer Kindergartenzeit merkte Patricia Schüttler, dass etwas nicht stimmte. Den geschlechtergetrennten Sportunterricht und das gemeinsame Umziehen in der Umkleidekabine war für die heute 48-Jährige schrecklich. Sie hat sich beeilt, oder gewartet, bis die anderen fertig waren. Später sogar Beschwerden vorgetäuscht und darauf gehofft, dass ihr undefinierbares Gefühl, eine Art Unwohlsein, wieder verschwindet.

Dann kam die Pubertät, und es wurde noch schwerer für sie. Es war die Zeit ohne Internet, Informationen waren nicht so zugänglich wie heute. Wenn Patricia Schüttler etwas zum Thema Transidentität fand, dann stand es im Zusammenhang mit Krankheit. Von Operationen und Geschlechtsangleichungen hatte sie noch lange nichts gehört. „In Zeiten, in denen es mir psychisch ganz gut ging und alles passte, habe ich auch gar nicht so groß darüber nachgedacht.”, sagt sie heute.

1990 lernte sie als 17-Jährige beim Tanzunterricht eine Mitschülerin kennen – Sandra, ihre heutige Frau. Sandra erwartete von Patricia Schüttler nicht die typisch männliche Rolle. Zu dem Zeitpunkt kannte Patricia Schüttler den Begriff trans zwar, doch „ich habe nicht zu 100 Prozent sagen können, ich bin das, weil ich die Hoffnung hatte, es geht wieder weg. Ich wollte nicht trans sein, ich wollte „normal” sein.”

Die Beziehung hielt, Patricia Schüttler ging zur Bundeswehr. Das Umkleidekabinenproblem bestand fort. Sie begann in Münster ihr Zahnmedizinstudium. Ab und an experimentierte sie mit Frauenkleidung, heimlich. Aber das Versteckspiel war ihr unangenehm, das reine Cross-Dressing, also das zeitweise Tragen von Kleidung des anderen Geschlechts, gab ihr nichts. Der Umzug nach München stand an, sie schmiss alles weg. Und dann heirateten Sandra und Patricia Schüttler.

Als sie schon ihre zahnärztliche Praxis führte, spitzte sich die Situation zu. Und die Experimente gingen weiter: als nächstes mit Hormonen. „Das fühlte sich gut an“, erinnert sie sich. Ihr Körper begann, sich zu verändern. Der Druck, sich zu offenbaren, wurde noch größer. Kurz vor Weihnachten 2010 sendete sie ihr Coming-out per E-Mail an ihre Frau.

Die Reaktion? „Es ist nichts passiert. Meine Frau hat nur gedacht: Jetzt weiß ich endlich, warum es meinem – damals Partner – so schlecht ging.“ Trotzdem ließ sich Patricia Schüttler Zeit, lebte ihr Frausein zunächst nur zu Hause, irgendwann offenbarte sie sich ihren Nachbarn.

„Ich habe das in jeden Briefkasten gleichzeitig reingeschmissen, damit bloß keiner was früher weiß. Und ich habe in dem Moment gedacht: Oh mein Gott, die Welt bricht zusammen, was hast Du da getan? Nein, die Welt ist gar nicht zusammengebrochen.“

Sie ließ sich Ohrlöcher stechen und begann, mit einem dezenten Rock in die Öffentlichkeit zu gehen. „Für mich war das einfach befreiend. Aber, als ich dann meine Psychotherapie gemacht habe, habe ich gemerkt in den öffentlichen Verkehrsmitteln, dass ich komisch angeguckt werde.“ Sie begann, die etlichen Kilometer zur Therapie zu Fuß zu gehen, weil sie die Blicke, Beleidigungen und Schikanen nicht mehr ertragen konnte. „In der U-Bahn saßen mir ein paar Jugendliche gegenüber, die sich die ganze Zeit lustig gemacht haben, bis einer meinte: Dann musst Du ihr mal in die Hose greifen, dann weißt Du schon, was es ist.“

Patricia Schüttlers Behandlung, die sogenannte Transition, ging weiter: Psychotherapie, Logopädie, Hormontherapie, Epilation, erst auf eigene Kosten, später mit Kostenübernahme. „Und mit jedem Zentimeter, den meine Haare länger wurden, wurde mein Gefühl Stück für Stück besser“, sagt Patricia Schüttler.

Ihre Haut wurde weicher, dünner, die Muskelmasse weniger, das Körperfett begann sich umzuverlagern. Sie bekam Cellulite, erzählt sie, und lacht. Die erste geschlechtsangleichende Operation ließ sie 2015 durchführen. Leider nicht ganz komplikationsfrei. Bis heute musste sie sich bereits fünf Mal im Intimbereich nachoperieren lassen.

Sie sagt: „Ich wusste, dass die OP sein muss, als i-Punkt obendrauf. Wenn jemand hergeht und sagt, ich mache diese OP und danach ist mein Leben anders: Das ist ein Irrtum. Denn was in der Hose ist, interessiert die wenigsten Leute.“ Wenn sie in einer Gesellschaft leben würde, für die das Thema Geschlechterrollen nicht so wichtig wäre, dann würde sie sich heute vermutlich nicht mehr unters Messer legen, sagt Patricia Schüttler. In dem Wissen, dass sie die OP zu dem Zeitpunkt, als sie sie durchführen ließ, für sich gebraucht hat. Für sie war es ein notwendiger Schritt, den sie nicht bereut. Trotz der Komplikationen, unter denen sie heute gesundheitlich noch immer leidet.

Sandro Morgan, 26

Angehender Sport- und Fitnesskaufmann

Wenn ich mit trans Frauen spreche, erzählen sie mir, sie werden auf der Straße dumm angemacht, angepöbelt, angespuckt. Sie werden geschlagen, teilweise von älteren Menschen nicht akzeptiert. Dagegen möchte ich was machen, weil ich möchte, dass sich jeder Mensch sicher fühlen kann. Und man keine Angst haben muss vor der Gesellschaft, oder wie manche Menschen darauf reagieren könnten, wenn man seinen Weg geht.

Der Komplikationsrisiken bei der operativen Geschlechtsangleichung ist sich Sandro Morgan bewusst. Trotzdem sagt der junge Mann aus Feldmoching: „Ich möchte die OP definitiv.“ Was ihm wichtig ist: Aufklärung. Darüber, dass es eben nicht nur das klassische, Zweigeschlechtermodell „Mann-Frau“ gibt. Und dass es eben sein kann, dass ein Kind bei der Geburt ein Geschlecht zugewiesen bekommt, sich aber de facto nicht mit diesem ihm zugewiesenen biologischen Geschlecht identifiziert. So war es auch bei ihm, wie er erzählt.

Als er heranwuchs, spielte er mit Autos, Lego und Playmobil, kletterte auf Bäume, heiratete im Spiel die Mädchen. Sehr lange dachte er, das körperlich Männliche, das käme noch, es würde später wachsen. Doch je älter er wurde, umso höher wurden die Ansprüche seiner Umwelt: „Es wurde erwartet: Sei weiblich. Aber ich konnte das nicht. An Fasching wollte ich ein Cowboy sein.“

In der weiteren Schulzeit begannen die anderen Kinder, Sandro Morgan zu mobben, ihn als „Mannsweib“ zu beschimpfen. Sie haben nicht verstanden, warum sie das Mädchen, für das sie Sandro hielten, sich nicht wie eines benahm.

Er suchte Trost und Halt in einer kleinen Zoohandlung, in der er viel Zeit verbrachte, kümmerte sich um die Tiere. Schließlich wechselte er vom Mädchengymnasium an die Realschule, wurde sogar Klassensprecher. Doch in der 7. Klasse begannen die Mädchen sich zu schminken und sich die Beine zu rasieren – Sandro Morgan nicht. Und die Probleme begannen von vorn. Selbst die Direktorin riet: „Benimm dich wie ein Mädchen.“ Eine Mitschülerin: „Schmink dich halt.“ Die Schulleistungen ließen nach. Beim Hiphop-Tanz fand er eine Zeit lang eine neue soziale Heimat.

Dann verliebte sich ein Tanzkollege in ihn, er war wieder damit konfrontiert, dass etwas nicht stimmt. Er hörte auf zu tanzen. Entwickelte schwere Depressionen, wie er heute erzählt, und baute sich eine Internet-Identität auf als Stefan, online lebte er auf diese Weise als Mann. „Leider konnte ich mich nie mit den Leuten treffen, sonst hätten sie ja gesehen, dass ich ein Mann ohne Testosteron bin.“ Seine Pubertät trat recht spät ein, erst mit 17 bekam er seine Tage. „Die Woche, in der ich meine Periode hatte, war für mich die absolute Hölle.“ Mehrere Ausbildungsanläufe scheiterten. Seine Mutter war krank, beide kämpften für sich ums Überleben, erzählt er heute.

Einmal postete er ein Selfie von sich auf Instagram. Eine Userin fragte: „Sag mal, willst du eigentlich ein Mann sein?” Sandro Morgan löschte den Kommentar. Es war die Frage, die im Raum stand, die er sich selbst nicht wagte zu stellen. 2015 sah er durch Zufall einen Dokumentarfilm über trans Menschen – und verstand schlagartig, was mit ihm los war.

Als er sich seiner Mutter gegenüber outete, erzählte sie ihm, dass sie nach seiner Geburt geträumt hatte, einen Jungen geboren zu haben. Er ließ sie seinen Namen aussuchen. Und so nannte sie ihren Sohn Sandro.

Am Anfang bekam er alle 14 Tage eine Testosteronspritze. „Jede Spritze war für mich ein Aufatmen: endlich leben, endlich richtig leben“, sagt er. Die Stimme wurde tiefer, seine Körper- und Gesichtsbehaarung wuchs. Als er nach seiner Brust-OP in den Spiegel schaute, war das, als hätte ihm man ihm das Tor in die Freiheit geöffnet.

Anja Sigl, 18

Angehende Krankenschwester

Transsexualität nimmt Einzug in den Mainstream. Von vielen wird es als eine Art Lifestyle gesehen, aber das ist kein Lifestyle – das ist eine Diagnose. Deswegen sage ich nicht transgender oder transident, sondern ich sage transsexuell – und will es auch so sagen. Bei den anderen Begriffen nimmt man die Ernsthaftigkeit heraus, die das Thema mit sich bringt.

Nicht jeder und jede kann sich wie Anja Sigl mit dem Begriff „transsexuell“ anfreunden. Denn damit einhergehen können Assoziationen beim Gegenüber, Transsein habe etwas mit Sexualität oder der sexuellen Ausrichtung einer Person zu tun. Das ist nicht der Fall. Wenn jemand trans ist, stimmt das geschlechtliche Selbstverständnis der Person nicht mit dem ihr qua Geburt zugewiesenen Geschlecht überein. Die junge Frau aus Schwabing sagt: „Es ist ja mittlerweile bekannt, dass es möglich ist, mit Medikamenten und Operationen den Körper dem Wunschgeschlecht anzupassen. Aber ich kenne nicht so viele, die sich danach richtig wohlfühlen. Bei vielen bleibt der Körper eine Baustelle, das finde ich schade für die Leute.“

Das Wichtigste für Anja Sigl selbst sei immer die Hormontherapie gewesen, die begann sie vor 1,5 Jahren. „Meine Dysphorie, mein Unwohlsein, war im Zusammenhang mit der Brust am schlimmsten, dass da alles flach war – und ich wollte weibliche Körperformen“, erzählt sie. Die geschlechtsangleichende Operation im Intimbereich beläuft sich auf mindestens zwei Eingriffe. „Das größte Risiko ist, dass man bei der Formung des Hohlraums zum Darm durchdringt und dann übergangsweise einen künstlichen Darmausgang benötigt wird“, sagt sie. Aber auch Wundheilungsstörungen, Infektionen, Blasenentzündungen können auftreten. Auch wenn sie Komplikationen fürchtet, will Anja Sigl die geschlechtsangleichende OP durchführen lassen.

Bevor sie die Hormontherapie begann, habe sie sich in ihrem Körper immer wie in einem Gefängnis gefühlt. „Ich konnte meine männlichen primären und sekundären Geschlechtsmerkmale nicht annehmen“, sagt sie. Und doch hat sie Angst davor, dass es zu Komplikationen kommen könnte, dass sie in ihrer Sexualität beeinträchtigt sein könnte. Was ihr Hoffnung gibt: Ihr Glaube an Gott. Mit acht Jahren ließ sie sich evangelisch taufen, fühlt sich aber heute auch zum Katholizismus hingezogen. Beruflich hat sie ein klares Ziel vor Augen: Sie will Krankenschwester werden.

Am Hasenbergl bekommt Anja Sigl andere Reaktionen, als in Schwabing, sagt sie. Und vor der Hormontherapie war es schlimmer, als heute, wo ihr Erscheinungsbild weiblich ist. „In der Berufsvorbereitung wurde ich in der Pause von einem Jungen verprügelt, der mich “scheiß Transe” genannt hat.“ Das war vor einem halben Jahr. Anja Sigl zeigte ihn an wegen Körperverletzung und Beleidigung, unterstützt von ihrer Mutter Evelyn Sigl.

Evelyn ist Anja Sigls größte Unterstützerin. Als ihre Tochter drei Jahre alt war, sagte sie: „Ich bin ein Junge, aber ich werde irgendwann ein Mädchen sein.“ Mit vier Jahren hat sie sich die Wimpern getuscht, weil sie sich schick machen wollte für den Kindergarten. Liebte lange Haare, Kleider, Nagellack, Rosa und Glitzer. Eine „klischeetranssexuelle Kindheit“, sagt Anja Sigl. „Ich habe sie machen lassen“, sagt ihre Mutter. Wenn Anja einen Zopf geflochten haben wollte, bekam sie ihn geflochten. „Ich habe mir immer wieder gedacht: Ich kann doch kein Junge sein“, erinnert sie sich. „Mein Körper ist es schon, aber das passt mit dem Rest nicht zusammen.“ Ihre Mitschüler nannten sie „Zwitter“, „Schwuchtel“ oder „Tunte“. Sie überlebte das Mobbing. Anja Sigl hatte eine Vision: ihre Verwandlung.

Micael Gelius, 58

Pianist

Das Outing bei den Söhnen fand ich am schwierigsten. Einem guten Freund zu sagen “das ist jetzt so”, ist kein Problem. Aber den Söhnen ist man eigentlich die Mutter. Was ist man jetzt? Sie haben den biologischen Vater, den Stiefvater – und den trans Vater. Nach ein paar Anläufen habe ich ihnen gesagt, dass es so ist. Sie haben sehr locker, offen und nett reagiert. Ich weiß nicht, was wirklich in ihnen vorgeht, ob da Trauer und Verlustängste sind, das haben sie zumindest nicht formuliert. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich dachte, vielleicht schämen sie sich.

Den rechtskräftigen Beschluss, dass Micael, Mick genannt, ein Mann ist, erhielt er am 5.10.2018. Gerade einmal zwei Jahre ist das her. Dabei konnte der 58-Jährige als Kind zunächst gar keinen Unterschied zwischen sich und den anderen Jungs feststellen, er fühlte sich ihnen zugehörig. Aber nicht nur das: Er fühlte sich auch zu ihnen hingezogen. So versuchte er später, sich umso weiblicher zu geben.

„Ich wollte Männern gefallen. Aber rückblickend mutete ich eher an wie ein Mann in Frauenkleidern“, sagt er, und lacht. Weil er sich als Mann wie eine Frau verkleidete. Richtig wohl fühlte er sich dagegen in den Klamotten seines Vaters.

Als der Pianist noch als Frau gelesen wurde, war er es gewohnt, sich für seine Auftritte in schöne Abendkleider zu werfen. Einmal zog er einen Hosenanzug an. Da fragte laut Micael Gelius der Geiger – mit ihm und einem Cellisten von den Münchner Philharmonikern bildet er ein Trio: „Wo hast du denn deine schönen Abendkleider, warum trägst du jetzt einen Anzug?“ Wenn er Bilder von sich sieht von früher in den langen Roben, sagt Micael Gelius, dass er eine schöne Frau sehe, mit der er sich heute aber nicht mehr identifiziert.

Im Programm der Auftritte ist er als Micael aufgeführt, alle lesen ihn als Mann. Doch bis heute nennt der Geiger ihn bei seinem weiblichen Geburtsnamen. „Ich lache darüber, ich möchte ihn ja nicht dauernd korrigieren“, sagt Micael Gelius dazu. Der Cellist hat ihn als Mann akzeptiert, fragt aber noch immer: „Du warst doch eine so schöne Frau und stehst auf Männer, warum nimmst du das alles auf dich?“ „Er denkt, ich will ein Mann werden, anstatt zu erkennen: Ich bin ein Mann“, erklärt Micael Gelius.

Micael Gelius wird nicht müde zu erklären, dass die Energie, als Mann einen Mann zu begehren, eine andere ist, als als Frau einen Mann. „Als ich in der Pubertät zwei schwule Männer gesehen habe, fühlte ich mich davon sehr angezogen.“ Es war nicht ein Bild, das ihm gefiel, sondern die Versinnbildlichung dessen, was er selbst verspürte. Auch, wenn es ihn zunächst noch irritierte. Der Weg war nicht leicht. Micael Gelius fehlten die Begriffe für sich selbst, er googlete „Frau schwul“ und fand 2014 schließlich ein Online-Netzwerk für „Girlfags“: Frauen, die Homosexualität so anziehend finden, dass sie sich damit identifizieren.

Hier gibt es viele unterschiedliche Varianten: Girlfags, die sich in ihrem Körper wohl fühlen und Leute, die – manchmal auch erst im Austausch mit anderen – merken, dass sie sich eher im trans Spektrum befinden. Micael Gelius erinnert sich: „Am Ende hat mich beim Wort „Girlfag“ das „Girl“ gestört.“ Das Forum half ihm, zu verstehen, was mit ihm los war. Er sah, wo er zu Hause ist – würde er von anderen Männern als Mann wahrgenommen werden.

Nach vielen Jahren vergeblichen Versuchens, körperlich zusammen zu finden, besprach er es mit seinem Ehemann. „Wenn es so ist, dann musst Du das ausleben“, riet er ihm. Sein Mann ist nach wie vor sein bester Freund, die beiden verstehen sich, sagt er und sie wollen zusammenbleiben. Sie leben in einem Reihenhaus in Gröbenzell, pflegen einen herzlichen, zärtlichen, freundschaftlichen Umgang, gehen in Liebesangelegenheiten aber getrennte Wege.

Auf die geschlechtsangleichende OP verzichtet Micael Gelius. Er blickt positiv auf die Vergangenheit: „Ich hatte viele glückliche Momente, insbesondere meine Kinder, auch wenn sie natürlich in der Zwischenzeit erwachsene Männer sind, möchte ich nicht missen. Wir haben ein wunderbares Verhältnis, weil sie sehen, dass ich im Kern derselbe Mensch geblieben bin.“ Sogar vor seiner Mutter, die 2018 mit 98 Jahren verstarb, outete er sich kurz vor ihrem Tod. Sie sagte, sie könne es nicht verstehen, fände es aber richtig, wenn ihr Sohn glücklich sei. Micael Gelius hat als Mann zu sich gefunden. Seine Botschaft: „Die innere Stimme lenkt immer in die richtige Richtung.“

Texte, Fotos, Collagen und Storytelling: Saskia Reis

Redaktion: Elisabeth Gamperl

Digitales Design: Lea Gardner

Bildredaktion und Bildbearbeitung: Friedrich Bungert

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Mach es besonders.

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